ALPENLAND|magazin

Bergsteigen in den Wiener Hausbergen

Mit Kindern am Klettersteig: Risikomanagement und Sicherungsaspekte

Nun, da die erste Klettersteigsaison mit meinen Kindern schon fast wieder vorbei ist, möchte ich meine Erfahrungen bezüglich Risikomanagement und Sicherungsaspekte kund tun – und damit vielleicht einen gar nicht so unwichtigen Teil zur Sicherheit auf Klettersteigen beitragen.

Die Wahl des richtigen Equipments
Bevor der erste Klettersteig begangen wird, ist es unerlässlich, sich Gedanken über die optimale Ausrüstung zu machen. Eine Grundausrüstung besteht aus Helm, Gurt und Klettersteigset. Während es Helme und Gurte für Kinder mehr oder minder in Hülle und Fülle gibt, ist das leider beim Klettersteigset nicht der Fall.

Genau genommen gibt es für Kinder kein Klettersteigset. Dies hat technische und physikalische Gründe und kann in zahlreichen Beiträgen auf bergundsteigen.at nachgelesen werden. Optimal wirkt ein Klettersteigset (KS) in der Regel erst ab rund 50kg Körpergewicht. Lediglich Mammut hat ein KS, das ab ca. 30kg Wirkung zeigt.

Die Sache ist die: Ein Absturz (oder auch gezieltes Fallenlassen) ist auf einem Klettersteig absolut keine Option, immer mit schweren Verletzungen verbunden und daher zu vermeiden. Aufgrund der wirkenden Kräfte spielt die Bremswirkung des KS eine entscheidende Rolle. Daher ist das Begehen eines Klettersteigs mit untauglichen oder gar selbstgebasteltem KS ein extrem hohes Risiko. Sollte Ihr Kind leichter als 30kg sein, so verzichten Sie noch einige Zeit auf das Kletterabenteuer!

Neben der Basisausrüstung ist noch folgendes Equipment wichtig: Trinkflasche (man glaubt nicht, wie durstig Kinder sein können) und Kinderrucksack zum Verstauen der Ausrüstung bzw. Bekleidung. Auch sinnvoll: Kletter(steig)-Handschuhe und (nicht nur sinnvoll, sondern wichtig) entsprechendes Schuhwerk. Eine Empfehlung dazu folgt in einem der nächsten Beiträge.

Die Wahl der richtigen Steige
Es ist faszinierend, mit welch naiver Einstellung manche Leute, die man beim Klettern so trifft, die Sache angehen. Neben falscher oder fehlender Ausrüstung neigen die Menschen offenbar zu maßloser Selbstüberschätzung. Jeder ist sein eigener Risikomanager – fahrlässig wird die Sache aber, wenn beim Selbstüberschätzungstrip auch noch Kinder mitgenommen werden. Fairer Weise muss ich sagen, dass wir in diesem Jahr (vorher hatte ich nie darauf geachtet) eigentlich sehr selten Kindern am Steig begegnet sind – und wenn, dann waren sie in der Mehrzahl gut gesichert. Trotzdem muss ich hier folgendes loswerden, weil es einfach wichtig ist:

Ein Klettersteig ist absolut kein Spaziergang! Weder für Erwachsene, geschweige denn für Kinder! Und das gilt im Grunde für alle Schwierigkeitsgrade und für beide Personengruppen gilt: bitte klein anfangen und dann steigern!

Erfahrung ist das, was man zur Ausübung dieser Sportart braucht. Allgemeine alpine Erfahrung ebenso wie Erfahrung im Umgang mit den ganz spezifischen Versicherungen auf Klettersteigen und der Ausrüstung zur Selbstsicherung. Kinder gehen beim Klettern spielerisch vor. Das hat den Vorteil, dass sie per se kleine Klettermeister sind, aber auch den Nachteil, dass sie Risken weniger gut einschätzen können und formale Voraussetzungen nicht immer erfüllen. Zu diesen für Kinder (aber auch für so manchen unerfahrenen Erwachsenen) formalen Schwierigkeiten zählen vor allem

  • Die Benützung des Klettersteigsets
    Man muss den Kindern erstens die Wichtigkeit der Selbstsicherung einbläuen – sprich: sie müssen wissen, dass das KS bei einem Absturz ihr Leben rettet – und zweitens müssen sie in der Benutzung des KS hinreichend beübt werden. Das Schwierige in der Wand für Kinder ist nicht das korrekte Umhängen der Karabiner (immer einen nach dem anderen), sondern das rechtzeitige Umhängen derselben! So können bereits bei Steigen des Schwierigkeitsgrades B Blockadesituationen entstehen, die verhinderbar wären.
  • Wahl der Route bzw. Tritte
    Bereits Klettersteige ab Schwierigkeitsgrad A/B halten Stellen bereit, wo man sich vor Überwinden der Stelle überlegen muss, wie man am besten steigt. Man muss sich also einen Bewegungsplan überlegen, um nicht in eine Situation zu kommen, wo man weder vor noch zurück kann. Eventuelle Steighilfen auf Klettersteigen sind immer für Erwachsene ausgerichtet und daher gilt das überlegte Klettern für Kinder umso mehr. Auch diese Fähigkeit lässt sich nur durch Üben schulen.

Also: Beginnen Sie mit leichten Steigen der Kategorie A und tasten Sie sich langsam vor! Mit meinen Kindern bin ich heuer (also im ersten Jahr) nicht über den Schwierigkeitsgrad B hinaus gekommen. Und es war gut so und hat extrem Spaß gemacht! Ans Limit gehen kann man in der Kletterhalle, wo im Sturzfall quasi nichts passieren kann – am Klettersteig ist Ausdauer, Geduld und Klettern etwas unter dem Limit angesagt!

Sollten Sie im Raum Wien/Wr. Neustadt/Nordburgenland beheimatet sein, und erstmals mit Ihren Kindern oder auch alleine auf Steigen klettern wollen, so kann ich aus eigener Erfahrung diese Klettersteig-Reihenfolge empfehlen, die sich schwierigkeitstechnisch kontinuierlich steigert (aber über den SG B nicht hinauskommt): Drobilsteig (Hohe Wand, SG A), Springlessteig (Hohe Wand, SG A), Leiterlsteig (Hohe Wand, SG A/B), Jubiläumssteig (Flatzer Wand, SG A/B), Ternitzersteig (Flatzer Wand, SG B und I+), Hanselsteig (Hohe Wand, SG B), Peilstein-Klettersteig (Wienerwald, SG B), Frauenlucke (Hohe Wand, SG B) und zum herbstlichen Auswandern den Rudolf-Decker-Steig (Weißenbach/Triesting, Variante SG B) oder den Naturfreundesteig (Hohe Wand, SG A/B und I).

Vorbereitung ist das halbe Leben!
Eigentlich sogar das ganze Leben. Gehen Sie mit Ihren Kindern keinesfalls Ihnen unbekannte Steige ab Schwierigkeitsgrad B! Denn was für Erwachsene oft noch (leicht) machbar ist, kann Kinder vor echte Probleme stellen bzw. in sehr gefährliche Situationen bringen.

Ich habe das für mich so gelöst, dass ich Steige solo begehe, bevor ich die Kinder mitnehme. Wie wichtig das ist, möchte ich am Beispiel des Frauenluckensteigs auf die Hohe Wand aufzeigen. Dieser ist kurz und im Grunde ungefährlich. Die Einstiegswand allerdings ist senkrecht und lediglich mit Klammern versichert. Diese kann man als Tritte benutzen – vor allem aber auch dazu, um die Karabiner einzuhängen. Am Ende dieser Einstiegswand liegen die Klammern so weit auseinander, dass eine Selbstsicherung für Erwachsene schwer möglich und für Kinder praktisch unmöglich ist. Während der Hanselsteig im selben Schwierigkeitsgrad bei Einsatz eines KS an keiner Stelle lebensgefährlich ist, kann einen ein Sturz von der Einstiegswand der Frauenlucke (siehe Foto) aber rasch das Leben kosten. Eine konsequente Nachsicherung der Kinder mittels Seil ist hier daher angebracht. Das weiß man aber erst, wenn man den Steig im Vorfeld schon mal ohne Kinder bezwungen hat.

Sichern der Kinder ist oberste Pflicht – und erfordert Übung
Eine in Fachkreisen öfter diskutierte Frage ist die, wie man Kinder im Steig richtig sichert. In der Literatur liest man öfter, man sollte Kinder ans kurze Seil nehmen. Dies ist im Sinne einer Seilschaft zu interpretieren, wobei der Erwachsene vorgeht und das/die Kind(er) in kurzem Abstand und mittels Seil gesichert folgen.

Ich kann mir das schwer vorstellen. Ich bin in der Regel alleine mit 2 Kindern unterwegs und wir müssten eine Dreier-Seilschaft bilden. Würde eines der Kinder hinter mir stürzen, würde ich schlicht und ergreifend mitgerissen. Das wäre bei einer Zweierseilschaft nicht anders. Das Gehen am kurzen Seil sollte daher bestenfalls Bergführern vorbehalten sein, die speziell für solche Fälle ausgebildet wurden.

In der Praxis hat sich folgendes Prozedere als tauglich erwiesen: Kann das Klettersteigset umgebungsbedingt von den Kindern leicht eingesetzt werden, so steigen die beiden Kids vor und ich direkt nach, um im Zweifel behilflich sein zu können. Andernfalls (siehe Frauenlucke) sichere ich konsequent nach, d.h. ich steige vor, baue mir einen Standplatz und sichere die Kinder „von oben“ mittels Seil und Sicherungsgerät (ich nehme da ein Petzl Universo). Eine Begehung ohne Sicherung erfolgt de facto nie.

Das „Problem“ an der Sicherung mittels Seil ist natürlich, dass man sich mit den entsprechenden Sicherungstechniken vertraut machen muss. Investieren Sie diese Zeit!

Machen Sie sich mit dem Thema vertraut!
Bevor Sie (alleine oder mit Kindern) eine Klettersteig-Karriere beginnen, informieren Sie sich! Es handelt sich bei dieser Art des Bergsteigens um eine eigene Disziplin, die wunderschön, aber auch gefährlich sein kann. Waren früher Klettersteige eher bequeme, versicherte Steiglein auf einen Gipfel, so hat sich in den letzten Jahren eine Entwicklung Richtung Bergsport ergeben. Viele glauben aber immer noch, am Steig kann wenig passieren – und fliegen dann im besten Fall mit der Bergrettung ins nächste Krankenhaus.

Spezifische Infos zum Klettersteig-Klettern (leider gibt es keine ernsthafte Literatur, die sich speziell um das Thema „Klettersteige und Kinder“ annimmt) finden Sie unter anderem hier:

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

© 2024 ALPENLAND|magazin

Thema von Anders Norén